Ländervorstellung – diesmal Türkei
Die Türkei gibt Gas
Es ist kurz vor sieben, die Sonne steht noch tief über den Dächern des Vororts. Noch ist wenig Verkehr in Bayrampasa, dem Stadtteil auf der europäischen Seite Istanbuls mit rund 250.000 Einwohnern. Coskun Özalp verlässt seine Wohnung und begibt sich an diesem Morgen wie gewohnt mit seinem Dienstwagen zur Arbeit. Özalp ist Projektleiter bei Iltekno im Herzen der Metropole Istanbuls, der bevölkerungsreichsten Stadt der Türkei, rund 20 Minuten mit dem Auto von seinem Wohnort entfernt. Der siebenundvierzigjährige Ingenieur ist dort bereits seit fast zehn Jahren beschäftigt, erzählt er uns, und vor allem verantwortlich für Sales und Projektmanagement. Heute Morgen kommt er gut durch den örtlichen Verkehr, an manchen Tagen braucht er aufgrund des steigenden Verkehrsaufkommens fast eine Dreiviertelstunde bis ins Büro.
Durch die Lage Istanbuls sowohl im europäischen Thrakien als auch im asiatischen Anatolien ist die Stadt die einzige Großstadt der Welt, die sich auf zwei Kontinenten befindet. Die Architektur Istanbuls vereint städtebauliche Elemente der Griechen, Römer, Byzantiner, Osmanen und Türken miteinander zu einem Stadtbild. Aufgrund dieser Einzigartigkeit wurde die historische Altstadt von der UNESCO 1985 zum Weltkulturerbe erklärt.
„Was immer die Türken tun – sie tun es mit Feuer“, sagt Özalp uns lächelnd. Das hat große Vorteile: Die Wirtschaft boomt, kaum ein Land hat sich in den vergangenen Jahren so dynamisch entwickelt. Verglichen mit der europäischen Stagnation, fällt in der Türkei die ungebremste Lust zur Innovation auf. Damit wächst natürlich auch der Energiebedarf des Landes stetig. Die wirtschaftliche Situation der Türkei ist allerdings immer noch sehr widersprüchlich, besonders zu erkennen an dem Unterschied zwischen dem industrialisierten Westen mit seiner modernen Industrie einerseits und dem agrarisch strukturierten und wenig entwickelten Osten andererseits. Im Großraum Istanbul erreichen die Menschen beispielsweise 41 % des durchschnittlichen Einkommens der 15 bestehenden EU-Staaten, im Osten hingegen nur 7 %. Die Türkei hat eine gemeinsame Staatsgrenze mit sieben Ländern und Berührungspunkte mit drei Meeren: im Nordwesten grenzt das Land an Bulgarien und Griechenland, im Norden an das Schwarze Meer, im Nordosten an Georgien und Armenien, im Osten an den Iran, im Süden an den Irak, an Syrien und an das Mittelmeer sowie im Westen an das Ägäische Meer.
Aufgrund seiner Lage als Knotenpunkt zwischen Asien und Europa ist der Verkehrssektor eine wichtige Einnahmequelle der Türkei. Mit internationalem Personen- und Güterverkehr auf Straßen erwirtschaftet die Türkei jährlich rund 1,2 Milliarden Euro, „Tendenz steigend“! merkt Özalp an.
Iltekno zählt zu den Unternehmen, die an dem Wachstum ihres Landes einen nicht unerheblichen Anteil haben. Seit der Gründung in 1989 war das Unternehmen an der Umsetzung von fast 100 IPP-Projekten mit insgesamt 1300 MWel in der Türkei beteiligt. Als Vertriebs- und Servicepartner von MWM beschäftigt Iltekno aktuell rund 50 Angestellte, davon etwa 70% Ingenieure und Servicemitarbeiter. In den letzten Jahren legte Iltekno besonderes Augenmerk auf den Ausbau der geschäftlichen Aktivitäten im Bereich der erneuerbaren Energien, wie z. B. Nutzung von Gasen aus Kläranlagen, Mülldeponien oder Biogasanlagen. Weitere Kundensegmente liegen außerdem in den Bereichen Textil, Food und anderen Industrien sowie Flughäfen und natürlich Power Plants. MWM arbeitet mit Iltekno bereits seit Ende der Neunziger Jahre zusammen, die im gesamten Land ein Netzwerk von Servicemitarbeitern aufgebaut haben.
Özalp ist inzwischen an seinem Zielort angekommen. Er parkt den grauen BMW auf dem Parkplatz vor dem Firmengebäude. An diesem Spätherbstmorgen sind es bereits 25 Grad Celsius im Schatten. Derzeit bringt der Westwind Meltem maritime und saubere Meeresluft aufs Festland, der Südwind Scirocco sorgt für Hochdruckgebiete und heiße Tage. Özalp erinnert sich noch gut an das Jahr 2004, damals war es ähnlich heiß um diese Zeit, sagt er uns. Es war das Jahr, als die Planungen für eines seiner interessantesten Projekte begann: Polyplex. Dieses Unternehmen ist der viertgrößte Folienhersteller der Welt mit Standorten in Indien und Thailand. Damals hatte das Unternehmen beschlossen, ein Werk in der Türkei zu errichten, und zwar in Corlu. Iltekno konnte sich seinerzeit gegenüber dem Wettbewerb mit einem erdgasbetriebenen Aggregat TCG 2032 V16 (4 MW) von MWM durchsetzen. Fabrikgebäude, Produktion und die Stromerzeugung entstanden gleichzeitig und konnten 2005 in Betrieb genommen werden.
Seitdem sind zwei weitere Bestellungen bei Iltekno eingegangen, denn die Geschäfte bei Polyplex laufen gut. In 2008 kamen zwei MWM-Gasmotoren des gleichen Typs dazu, um die Power Plant auszubauen (je 4,1 MW). Vier Jahre später schließlich entschied der Kunde sich erneut zwei Aggregate gleicher Ausführung zu ordern, die bereits installiert werden. Die gesamte Anlage hat heute eine Kapazität von 20,8 MW und wird im Inselbetrieb gefahren, weil eine kontinuierliche und unterbrechungsfreie Stromversorgung für Polyplex von entscheidender Bedeutung für ihre Produktion ist. Auch um diese Kontinuität auf Dauer sicherzustellen, wurde mit Iltekno außerdem ein Full-Service-Vertrag für alle fünf Aggregate abgeschlossen.
Erdgas ist für das Land längst zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor geworden. Erst kürzlich haben die Türkei und Aserbaidschan ein Abkommen über den Transport von Erdgas aus Aserbaidschan durch die Türkei nach Europa unterzeichnet. Der türkische Premier Recep Tayyip Erdogan sagte nach der Vertragsunterzeichnung, es handle sich um ein Schlüsselprojekt für Europa zur Diversifizierung seiner Energieversorgungsrouten. Die Trans Anadolu Pipeline (TANAP) soll als ausführendes Unternehmen insbesondere helfen, die Abhängigkeit der EU von russischen Gaslieferungen zu reduzieren. Die geplante Gasleitung wird bis zu16 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr befördern können. Die Türkei soll dabei einen Anspruch auf bis zu 10 Milliarden Kubikmeter Erdgas haben.
„Es ist davon auszugehen, das sich die Energieversorgung in der Türkei mehr und mehr in Richtung Gas verschieben wird“, erklärt und Özalp. Wir sitzen inzwischen in seinem lichtdurchfluteten Büro, die Raumtemperatur wird durch eine Klimaanlage angenehm geregelt, die unaufdringlich vor sich hin surrt. Einer der Stärken von Iltekno ist, das über allen geschäftlichen Aktivitäten der Gedanke steht, Kundenanforderungen und –nutzen an die erste Stelle zu setzen. „Neben einem engagierten Sales- und After Sales-Team und unserem landesweiten Servicenetz ist das sicher ein Grund für unsere erfolgreiche Entwicklung“, betont Özalp nicht ohne Stolz. Kein Wunder also, dass zu zahlreichen Kunden eine langjährige Verbindung besteht.
Die Beziehung zu Polyplex ist dabei sicher herausragend. Lange vor Beginn des ersten Bauabschnitts half das Team von Iltekno bei der Beschaffung eines geeigneten Grundstücks, leistete Hilfestellung in vielen Fragen wie z.B. die Auswahl der richtigen Schule für die Kinder der Angestellten von Polyplex, Tipps für den Umgang mit der Ausländerbehörde und vieles mehr. Dadurch entstand neben der geschäftlichen Verbindung eine sehr entspannte und freundschaftliche Atmosphäre. Einer der Höhepunkte dieser Verbundenheit zeigte sich, als im Dezember 2010 Iltekno-Geschäftsführer Gürcan Gürel und er selbst zur Hochzeit von Mr. Yadas Tochter Tina in Neu Delhi eingeladen wurden. „ Herr Yada ist der Leiter für weltweite Investitionen bei Polyplex und wir waren mehr als angenehm überrascht, als wir seine Einladung erhielten, nach Indien zu kommen um Gäste bei der Hochzeit seiner Tochter zu sein. Das war schon ein bewegender Moment“, erinnert sich Coscun Özalp. Mehr Vertrauen geht nicht.
Die jüngste wirtschaftliche Entwicklung der Türkei hat zu einem optimistischen Umfeld geführt, in dem auch internationale Organisationen sie als die wachstumsstärkste Volkswirtschaft Europas – auch unter den OECD-Staaten – ansehen. Die Türken geben Gas.